Die Sophienheilstätte in Bad Berka – ein Lost Place der besonderen Art – Teil 4
Die ehemalige Knappschaftsheilstätte (heute ThILLM) wurde 1949 auch der Sophienheilstätte zugeordnet. Das große Haus brachte einen bedeutenden Kapazitätszuwachs und wurde im weiteren Verlauf als Spezialabteilung für Silikontuberkulose mit 134 Betten ausgebaut, während Haus Rodberg in den 1950er Jahren zu einer Weiterbildungseinrichtung, gleichzeitig für die Umschulung von Rehabilitanden in Gesundheitsberufe, umfunktioniert wurde – der Start in die anstaltseigene Berufsausbildung. Damit konnte einem Teil der Patienten eine neue existentielle Grundlage angeboten und neues Personal für den Klinikbetrieb gewonnen werden. Im Zuge dieser Entwicklung erfolgte die Umbenennung der Sophienheilstätte in Heilstätte 1 der Heilstätten Bad Berka.Nach dem Kriegsende wurde auch in Deutschland die BCG-Schutzimpfung eingeführt. Bei der Beschaffung des Serums waren die Besatzungsmächte behilflich. In der Sowjetischen Besatzungszone unterstützte das schwedische Rote Kreuz die Gesundheitsbehörden und stellte die Bakterienkultur des Original Calmette-Stamms zur Verfügung. Der Mikrobiologen Dr. Knöll (1913–1978) und der Berliner Bakteriologe Prof. Kathe konnten sich am schwedischen Laboratorium des Sahlgrenska Sjukhuset in Göteburg mit der Herstellung des BCG-Impfstoffes vertraut machen. 1949 lief im Jenaer Institut für Mikrobiologie unter Leitung von Dr. Hans Knöll die Serumherstellung an. Die Impfkampagne konnte 1951 beginnen. In den 1940er Jahren gelang die bahnbrechende Entwicklung erster wirksamer Medikamente gegen die Tuberkulose: ab 1943 wurden eine Reihe von Antituberkulotika (Tuberkulostatika) herausgebracht. Sie bildeten die Grundlage, um die lebensbedrohliche Krankheit TBC zu besiegen. Seit den 1950er Jahren ist die Kombinationstherapie zur Vermeidung von Resistenzbildungen Standard bei der Tuberkulosebehandlung. Bei Jenapharm wurde 1949 die Produktion des Tebethion als DDR-Variante des westdeutschen Tb I bzw. Conteben (Entwickler und seit 1948 Hersteller dort die Bayer Werke Leverkusen) aufgenommen. Beide basierten auf der Forschung von Prof. Dr. Gerhard Domagk (1895-1964), der das antibakterielle Sulfanomid-Präparat KI 730 entdeckt hatte, das nach 1935 unter dem Namen Prontisol auf den Markt kam und eine Grundlage für die Entwicklung des Penicillins war. Domagk erhielt für seine Entdeckung 1939 den Nobelpreis, den er einem NS-Dekret zufolge jedoch nicht annehmen durfte. Seine Forschungen während der Kriegsjahre führten 1943 zu dem Tuberkulostatikum Tb I/698, einem Mittel, das das Wachstum der Tuberkelbazillen im menschlichen Körper zu hemmen vermag. Dem Conteben folgte in der BRD 1952 das Iso-Nikotinsäure-Hydrazid-Präparat Neoteben, das in der DDR in dem Isotebezid von Jenapharm, eine Entsprechung fand. International waren Kliniken, Labore und Unternehmen in den USA (E. R. Squibb & Sons), Frankreich (Pariser Pasteur-Institut), der Schweiz und Deutschland (Hoffmann La Roche-AG und Bayer Werke Leverkusen) führend bei diesen Forschungen. 1949 berichtete Dr. Tegtmeier auf seiner Tuberkulosetagung in Sülzhayn über erste Erfolge der Chemotherapie in der Heilstätte 1.
Er war ein Wegbereiter der Chemotherapie in Thüringen. Von einer Studienreise brachte er aus der BRD das Mittel Conteben mit. Es konnten damit erste Erfahrungen an der Heilstätte Bad Berka gesammelt werden, bevor Ende 1949 das Medikament aus der Jenaer Produktion verfügbar war. Im selben Jahr gründete sich in West-deutschland das »Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose« neu. Dem Beirat dieses Gremiums gehörte später auch der Chefarzt der Heilstätte Bad Berka, Prof. Dr. A. Tegtmeier, an. Für die Fortentwicklung der Bad Berkaer Heilstätten und späteren Zentralklinik erwiesen sich Dr. Tegtmeiers Kontakte, Verbindungen und seine Reputation immer wieder als wichtig und hilfreich.
(mit freundlicher Genehmigung der Zentralklinik Bad Berka)
Heute steht die Ehemalige Sophienheilstätte leer und ist dem Verfall preisgegeben. Die MAuern, das Gelände, die Zimmer erzählen beim Durchschreiten ihre Geschichte. Natürlich hinterlässt Vandalismus und Zerstörung an der einst so prächtigen Klinik seine Spuren.
Ein Lost Place der besonderen Art. Eine Reise unbedingt wert. Die Firma Go2Know bietet den Zugang zum Gebäude legal an.