Die Sophienheilstätte in Bad Berka – ein Lost Place der besonderen Art – Teil 1
Auf der Suche nach einem Lost Place, sind wir auf die Soophienheilstätte in Bad Berka durch einen Tippgeber gestoßen. Diese wird auch in Urban explorer-Kreisen als Gruselklinik Thüringens bezeichnet. Vorab, wir konnten das nicht bestätigen. Vielleicht liegt es daran, dass wir am Tag die Klinik besuchten, oder daran, dass wir legal und nicht illegal diesen Lost Place betraten. Sicher, es gab die eine oder andere Ecke… Sicher, der Wind, der durch dieses alte Gemäuer streift, schlägt die eine oder andere Tür mit quietschenden und knarrenden Geräuschen zu…
In Zusammenarbeit mit der Zentralklinik Bad Berka durften wir folgende Daten zur Geschichte und Entwicklung der Heilstätte verwenden.
Entwicklung der Sophienheilstätte
Tuberkulose – eine Volksseuche
Bedingt durch die schlechten sozialen und hygienischen Verhältnisse breiter Bevölke-rungsschichten erkrankten um die Jahrhundertwende immer mehr Menschen an Tuberkulose. In den rasch wachsenden Städten und industriellen Ballungszentren verbreitete sich die TBC teils seuchenartig.
»Nach einer preußischen Statistik von 1880 war jeder zweite Todesfall in der Gruppe der 15- bis 40-Jährigen auf eine Tuberkulose zurückzuführen« (Deutsches Tuberkulose-Archiv an der Thoraxklinik Heidelberg). An anderer Stelle heißt es: »Der Deutsch-Französische Krieg hat 30.000 Todesopfer gekostet, die Schwindsucht fordert jedes Jahr in Deutschland das Fünf- bis Sechsfache, nämlich 160-180.000 Opfer und diese meist gerade aus den erwerbsfähigen Altersklassen.
«Die TBC ist eine vorwiegend die Lunge betreff ende, weltweit verbreitete bakterielle Infektionskrankheit, die den Menschen seit Jahrtausenden begleitet. Dem Mediziner und Mikrobiologen Dr. Robert Koch (1843–1910) gelang 1882 erstmals die Beschreibung und der Nachweis des Erregers Mycobacterium tuberculosis. Die Übertragung der Erreger erfolgt zumeist durch eine Tröpfcheninfektion bereits erkrankter Personen, die keimhaltige Sekrete aus ihren Atemwegen (Speichel, Husten, Niesen) über die Luft verbreiten. Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind besonders anfällig und gefährdet.
Für die Diagnose stehen heute verschieden Test- und bildgebende Verfahren zur Verfügung: Röntgen- oder CT-Untersuchung, Hauttestung, Bluttest, Gewebsuntersuchungen, moderne molekularbiologische oder immunologische Testverfahren. Die Behandlung wird heute mit einer Kombinationstherapie hoch wirksamer Antibiotika durchgeführt. Im 19. Jahrhundert wurde die Tuberkulose in Heilstätten behandelt, mit Liegekuren an der frischen Luft, Waldspaziergängen, einer ausgewogenen gesunden Ernährung und unter strengen hygienischen Vorschriften. Später kamen erste chirurgische Behand-lungsmaßnahmen ergänzend dazu. Mit einer sogenannten »Gasbrust« (Pneumothorax) sollte durch Ruhigstellung der Lunge eine Ausheilung begünstigt werden. Die Entwick-lung der modernen Diagnosetechniken und Chemotherapien erfolgte erst Mitte des 20. Jahrhunderts.
Die Sophienheilstätte – Gründung und Anfangsjahre
1888 nahmen die »Waldschlafstätten« auf der Harth ihren Betrieb auf. Erste vielverspre-chende Behandlungserfolge sprachen sich herum und immer mehr lungenkranke Patienten suchten Hilfe in den Waldschlafstätten. Doch der Zulauf an Lungenkranken verunsicherte die Badegäste des Kurbetriebes in Berka. Die Gästezahlen waren rückläufig und es formierte sich Widerstand unter der Bevölkerung, sobald die Planungen für eine neue, größere »Heilstätte für arme Schwindsüchtige« bekannt wurden. Schließlich veranlasste das Staatsministerium den Abriss der »Tuberkelbaracken«. Daraufhin legte Dr. Willrich sein Amt nieder und verließ 1898 Berka. Der Bürgerprotest hatte Erfolg, die Lungenheilanstalt wurde nicht auf der Harth errich-tet. Ein neuer Standort, weiter von der Stadt entfernt, wurde gesucht und beim Rittergut München nahe Tannroda ausgewiesen.
Am 14. Oktober 1898 konnte die Heilstätte für Lungenkranke in einem langgestreckten, zweigeschossigen Pavillonbau für bis zu 80 Patienten auf dem Emskopf oberhalb des Gutes München als Volksheilstätte eröff net werden. Die Anstalt wurde anfangs als Einrichtung des »Patriotischen Institutes der Frauenvereine für das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach« und Zweiganstalt des Sophienhauses in Weimar in Vereinbarung mit der Thü-ringischen Alters- und Invalidenversicherung geführt.
Als erster Anstaltsdirektor und Chefarzt wurde Dr. Serves berufen. Mit Rücksicht auf die begrenzte Bettenzahl und die Erfolgsaussichten der Behandlung wurde die Verweildauer der Patienten auf 13 Wochen beschränkt. So wurden schwer, insbesondere fiebrig Erkrankte nicht in der Heilstätte aufgenommen. Vorrangiges Ziel der durch die Thüringische Landesversicherungsanstalt, es waren noch verschiedene Eisenbahnkassen und Krankenkassen beteiligt, gedeckten Behandlung war die rasche Widerherstellung der Erwerbstätigkeit der Patienten. Trotz der damals eingeschränkten Therapiemethoden hatten die Patienten der Sophienheilstätte gute Aussichten auf Besserung. Auch wenn die Kur der meisten Patienten von der Sozialversicherung bezahlt wurde, nur wenige Selbstzahler waren unter ihnen, mussten sie für eine Grundausstattung selbst aufkommen. Für die überwiegend aus der Arbeiterschaft stammenden Kranken war damit eine erhebliche finanzielle Belastung verbunden.
Folgende Utensilien hatte jeder Patient zum Kurantritt mitzubringen:
Zwei komplette Anzüge, ein Überrock, eine weiche Kopfbedeckung zur Liegekur, Leibwäsche und Fußzeug zum Wechseln, auch Hausschuhe und möglichst Gummischuhe (Gummiüberzieher für nasse Witterung), Waschzeug, Kamm, Kleiderbürste, Zahn- und Nagelbürste, 2 bis 3 wollene Decken für das Liegen im Freien und ein Badetuch Die obligatorische Spuckflasche, der »blaue Heinrich« sowie Fiebermesser wurden zum Preis von zusammen 2 Mk. beim Eintritt in die Heilstätten übergeben.Aufgrund der guten Auslastung und der vielen hilfesuchenden Patienten wurde schon im Sommer 1899, nur ein knappes Jahr nach der Eröffnung, eine erste Erweiterung um einen zweiten Flügel, eine Schlafbaracke und Liegehallen im angrenzenden Wald in Betrieb vorgenommen. Die Kranken stammten vor allem aus den Industriestädten Thüringens: »Schlosser, Mecha-niker, Textilarbeiter, Weber und Porzellanarbeiter sind am zahlreichsten vertreten. Von 474 Kranken im Betriebsjahr 1902 standen 350 im Alter von 21 bis 40 Jahren.« (Korrespondenz-Blätter des Allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen, XXXIII Jahrgang 190)
(mit freundlicher Genehmigung der Zentralklinik Bad Berka)